Antwort: Anfrage zum Winternotprogramm
aufgrund unseres Antrages zur rechtzeitigen Ausweitung des Winternotprogramms vom 16. September 2024 an die Bezirksversammlung Hamburg-Mitte (23-0100) bitten wir die Sozialbehörde um eine präzise Klärung, welche Handlungsspielräume die Sozialbehörde in Bezug auf die Umsetzung und Verbesserung des Programms sieht.
Anfrage nach § 27 BezVG | Drucksachen–Nr.: 23-0412 |
Beratungsfolge | ||
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Gremium | Datum |
Antwort: Anfrage zum Winternotprogramm (Anfrage der Fraktion DIE LINKE)
Fragestellerinnen und Fragesteller: Antonia-Luise Ivankovic, Theresa Jakob, Steffen Leipnitz, Susanne Morgenstern, Maureen Schwalke, Nora Stärz, Marinus Stehmeier, Ronald Wilken
Einleitung für die Fragen:
Sehr geehrte Damen und Herren,
aufgrund unseres Antrages zur rechtzeitigen Ausweitung des Winternotprogramms vom 16. September 2024 an die Bezirksversammlung Hamburg-Mitte (23-0100) bitten wir die Sozialbehörde um eine präzise Klärung, welche Handlungsspielräume die Sozialbehörde in Bezug auf die Umsetzung und Verbesserung des Programms sieht.
Die akute Notlage wohnungs- und obdachloser Menschen, insbesondere angesichts der erschütternden Zahl von 24 Menschen, die im letzten Jahr sowohl auf der Straße als auch im Winternotprogramm verstorben sind, macht eine schnelle und umfassende Antwort auf diese Fragen dringend notwendig.
Wir bitten dabei um die Beantwortung folgender Punkte:
Die Behörde für Arbeit, Gesundheit, Soziales, Familie und Integration (Sozialbehörde) nimmt wie folgt Stellung:
1. Personelle Aufstockung für die ganztägige Öffnung:
Welche Möglichkeiten sieht die Sozialbehörde, die personellen Kapazitäten so zu erweitern, dass eine ganztägige Öffnung des Winternotprogramms gewährleistet werden kann? Falls dies geplant ist, wann werden diese Maßnahmen ergriffen.
Eine ganztägige Öffnung der Standorte des Winternotprogramms für alle obdachlosen Menschen ist nicht geplant, siehe im Detail: https://www.hamburg.de/winternotprogramm-obdachlose/4664702/fragen-antworten/.
Würde das Winternotprogramm auch tagsüber geöffnet bleiben, wäre es kein temporärer Kälte und Erfrierungsschutz mehr, sondern bekäme den Charakter einer öffentlich-rechtlichen Unterbringung in einer Wohnunterkunft als Ersatz für eine Wohnung. Dies wiederum würde Leistungsansprüche voraussetzen und somit einen Großteil der jetzigen Nutzerinnen und Nutzer des Winternotprogramms ausschließen.
Auf Basis des Hamburgischen Gesetzes für die Sicherheit und Ordnung (SOG) wird der Tagesaufenthalt in den Notübernachtungsstätten bereits denjenigen Menschen gewährt, die besonders vulnerabel sind (sog. „Geschwächten-Regelung“).
Der Schutz obdachloser Menschen wird im Übrigen weiterhin ganztägig mittels eines ausreichenden Angebots an Tagesaufenthaltsstätten (TAS) sichergestellt.
2. Zusätzliche Maßnahmen noch im laufenden Winter:
Neben dem geplanten Umbau des Hauses in der Repsoldstraße: Welche weiteren Maßnahmen sind für den laufenden Winter, der bis März andauert und nächtliche Kälteperioden mit sich bringen wird, vorgesehen und wann sollen diese ggf. umgesetzt werden?
Hamburg verfügt über ein umfangreiches und differenziertes Hilfesystem für obdach- und wohnungslose Menschen. Die Weiterentwicklung erfolgt kontinuierlich und zielgruppengerecht, um den wandelnden Bedürfnissen der Betroffenen gerecht zu werden. Dabei wird besonderer Wert auf eine bedarfsgerechte Ausrichtung der Maßnahmen gelegt, die auch den unterschiedlichen Lebenslagen und Herausforderungen der Zielgruppen sowie den Witterungsbedingungen Rechnung trägt. Die Weiterentwicklung berücksichtigt sowohl die Optimierung bestehender Angebote als auch die Einführung neuer Maßnahmen, die den spezifischen Anforderungen der Zielgruppen gerecht werden, z.B. Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Hauptbahnhof oder die neuen Einrichtungen für obdachlose Menschen im Garstedter Weg 20 und 79-81. Die mit den Maßnahmen und Angeboten verbundenen Ziele werden kontinuierlich angepasst und regelmäßig überprüft, um sicherzustellen, dass sie den aktuellen Bedürfnissen und Herausforderungen weiterhin gerecht werden.
Angebote, die sich konkret nur auf den laufenden Winter bis Ende März 2025 beziehen, sind daher nicht geplant.
3. Ganztägige und ganzjährige Öffnung von Unterkünften:
Welche Möglichkeiten und Pläne bestehen, das Winternotprogramm auf eine ganzjährige Nutzung auszudehnen, insbesondere auch in den Sommermonaten, wenn obdachlose Menschen ihrer Umwelt, vor Hitze, Gewalt und anderen Gefahren schutzlos ausgeliefert sind? Wann sollen diese ggf. umgesetzt werden.
Bei dem städtischen Winternotprogramm handelt es sich um eine Ergänzung der ganzjährig verfügbaren Notübernachtungsstätten. Die Notübernachtungsstätte Pik As in der Eiffestr. 398 (Interimsstandort) verfügt über bis zu 330 Plätze, die Notübernachtungsstätte für Frauen in der Hinrichsenstraße 4 verfügt über bis zu 60 Plätze. Besonders vulnerable obdachlose Personen werden ganzjährig in den Einrichtungen im Garstedter Weg 79-81 sowie Friesenstraße 22 untergebracht. Im Zeitraum 01.11. bis regelhaft 31.03. kommen während des Winternotprogramms weitere 400 Plätze am Standort in der Friesenstraße 22 (seit dem WNP 2017/2018) und 300 Plätze am Standort in der Châu-und-Lân-Straße 6 (ehemals Halskestraße, seit dem WNP 2021/2022) hinzu, die jeweils das städtische Unternehmen F&W Fördern & Wohnen AöR (F&W) betreibt.
Eine weitere Ausweitung der Öffnung der Standorte des Winternotprogramms auf die Sommermonate ist daher nicht geplant.
4. Dezentrale Unterbringung:
Der dringende Bedarf, insbesondere nach der Corona-Pandemie, ist deutlich: Weg von Massenunterkünften hin zu kleineren, dezentralen Lösungen, ist zwingend erforderlich, um obdach- und wohnungslose Menschen nachhaltig und langfristig zu stabilisieren. Plant die Sozialbehörde Housing First Projekte zu unterstützen, die auch die Förderung von eigenem Wohnraum, Wohncontainern und der Unterbringung in Hotels umfassen, um eine nachhaltige Stabilisierung zu erreichen?
Wenn ja, wann sollen diese ggf. umgesetzt werden.
Aktuell wird das Konzept Housing First in Hamburg im Rahmen eines Projektes, das noch bis zum 01.07.2025 durchgeführt werden wird, erprobt. Das Konzept Housing First sieht ausschließlich die umgehende und nachhaltige Wohnraumversorgung obdachloser Menschen vor, das Konzept bietet keinen Raum für Angebote vorübergehender Unterbringung, wie z. B. Hotels oder Wohncontainer.
Das Projekt Housing First Hamburg konnte bereits vor Abschluss der Projektlaufzeit die festgelegte Zielzahl von 30 zu vermittelnden Wohnungen erreichen und akquiriert und vermittelt nun darüber hinaus weitere Wohnungen an den Personenkreis der langzeitobdachlosen Menschen.
Vor diesem Hintergrund soll das Konzept Housing First in Hamburg über die Projektlaufzeit hinaus als Regelangebot gemäß §§ 67 SGB XII in das Hamburgische Wohnungslosenhilfesystem integriert werden.
Die vermittelten Wohnungen liegen über das gesamte Stadtgebiet verteilt.
5. Schutzplätze für besonders gefährdete Gruppen:
Welche Maßnahmen plant die Sozialbehörde, um mehr Schutzplätze für FLINTA* Personen oder auch Menschen mit Hunden bereitzustellen? Gibt es hierzu Planungen oder Zusammenarbeit mit anderen Akteur*innen? Wenn es Planungen gibt, welche sind das und wann sollen diese ggf. umgesetzt werden.
Für Frauen besteht die Möglichkeit die ganzjährige Notübernachtungsstätte für Frauen in der Hinrichsenstraße 4 zu nutzen, für den Tagesaufenthalt steht Frauen die Tagesaufenthaltsstätte Kemenate zur Verfügung.
In den F&W-Standorten des Winternotprogramms stehen für besonders schutzbedürftige Gruppen von obdachlosen Menschen zudem abgetrennte und durch einen Sicherheitsdienst geschützte Räumlichkeiten zur Verfügung. Das Personal von F&W ist sensibilisiert und prüft bei der Unterbringung den Einzelfall.
Die räumlichen Kapazitäten sind aktuell nicht ausgeschöpft.
Für obdachlose Personen mit Hunden verfügt die Notübernachtungsstätte Pik As ganzjährig über 17 Plätze in Einzelzimmern. Die Auslastung der Zimmer ist bisher moderat. Stand 21.01.2025 waren 5 Plätze belegt. Das Harburg Huus stellt ebenfalls Übernachtungsplätze für obdachlose Menschen mit Hund zur Verfügung. Außerdem besteht für obdachlose Personen die Möglichkeit, ihren Hund kostenlos nachts im Tierheim Süderstraße unterzubringen und morgens wieder abzuholen. Die Lage von obdachlosen Menschen mit Hund wird darüber hinaus fortwährend beobachtet.
6. Verbesserung von Standards:
Welche Möglichkeiten sieht die Sozialbehörde, die hygienischen Bedingungen in den Unterkünften des Winternotprogramms zu verbessern? Wer ist in den Standorten des Winternotprogramms jeweils zuständig und wie viel medizinisches Personal ist hier für vorgesehen? Bitte ggf. den Zeitplan ausweisen und nach Einrichtungen aufschlüsseln.
Akzeptable Hygienebedingungen in den Standorten des Winternotprogramms sind von zentraler Bedeutung für die Gesundheit und das Wohlbefinden der dort untergebrachten Personen. Der Einsatz von geschultem Personal spielt eine entscheidende Rolle, um diese Bedingungen zu gewährleisten. Das Überprüfen der hygienischen Bedingungen in den Standorten ist eine Regelaufgabe des von F&W in den Standorten des Winternotprogramms eingesetzten Personal sowie des Hygienemanagements von F&W.
Um sicherzustellen, dass Hygienestandards eingehalten werden, sind die Mitarbeitenden in den Standorten in Hygienemaßnahmen geschult. Dazu gehören Schulungen in den Bereichen Infektionsschutz, Umgang mit gefährlichen Materialien, Erste Hilfe und spezifische Bedürfnisse von obdachlosen Menschen, die möglicherweise eine höhere Anfälligkeit für gesundheitliche Probleme haben. Bei Bedarf werden die bei F&W angestellten Fachkräfte des Bereichs Medilotsen hinzugezogen.
In den Standorten ist zudem täglich eine Reinigungsfirma tätig. Der Reinigungsbedarf kann stark variieren, je nachdem, wie hoch die Standorte frequentiert sind und wie intensiv die Nutzung der verschiedenen Bereiche ist. Der zeitliche und personelle Umfang richtet sich nach Bedarf und Auslastung der Standorte.
Eine Darstellung der verschiedenen Aufgabenfelder und Bereiche als Zeitplan kann aufgrund der dynamischen und bedarfsgerechten Einsätze sowie der Tatsache, dass die Einhaltung von Hygienestandards eine Regelaufgabe der F&W-Mitarbeitenden in den Standorten des Winternotprogramms ist, nicht erfolgen.
Im WNP-Standort Friesenstraße ist im gesamten WNP-Zeitraum vom 1. November bis 31. März täglich ein Pflegedienst für die Wund- und Medikamentensprechstunde und bei Bedarf zur Versorgung von Personen in den Zimmern im Einsatz. Der Stundenumfang variiert im Zeitfenster von 7:00 bis 21:00 Uhr ebenfalls nach Bedarf und Anzahl der zu versorgenden Personen. Eine hausärztliche Sprechstunde findet im WNP-Standort Friesenstraße aktuell donnerstags von 08.00 bis 12.00 Uhr statt. Bei Bedarf kann diese verlängert werden.